Freitag, 19. Juni 2009

Direktor im Dauerkonflikt

Sächsische Zeitung
Donnerstag, 13. Oktober 2005

Sorbische Stiftung. Sie ist ein Dauerbrenner für den Rechnungshof, nun regt sich Unmut auch gegen den Chef.

Von Thomas Schade

Es ist keine der üblichen Vorstellungen des Sorbischen National-Ensembles (SNE) an diesem Abend Mitte September. Sänger, Tänzer, Musiker sitzen im Publikum. Auf dem Podium haben Funktionäre Platz genommen: Marko Suchy, der Direktor, und Christian Baumgärtel, der Vorsitzende der Sorbischen Stiftung. Neben ihnen Ensemble-Intendant Wolfgang Rögner. Außerdem: Benedikt Dyrlich, Chefredakteur der sorbischen Abendzeitung Serbske Nowiny – und Stein des Anstoßes.

Denn statt Gesang und Tanz dominieren Schelte und Vorwürfe den Abend. Dyrlich hatte öffentlich Dinge angesprochen, die einige sorbische Funktionäre lieber als innere Angelegenheit betrachtet hätten. Die Zeitung hatte berichtet, dass bei der Entlassung von Ensemblemitgliedern im Jahr 2001 zu hohe Abfindungen gezahlt wurden.

Der neuerliche Fall von Verschwendung dürfte Bestandteil des Rechnungshofberichtes sein, der heute veröffentlicht wird.

Komponist Detlef Kobjela vom sorbischen Künstlerverein versteht den Streit nicht. „Wackere Sorben“ würden sich „zerfleischen“, statt gemeinsam gegen den Kulturabbau zu streiten, sagt er. Chefredakteur Dyrlich sieht das anders. Die Gefahr, dass öffentliche Gelder gestrichen werden, steige, „wenn wir uns als Sorben mit solchen Unzulänglichkeiten nicht auseinander setzen“. Stiftungsdirektor Suchy spricht dagegen von „Geschreibsel“. Die Zeitung führe sich als „oberster Prüfer der sorbischen Nation“
auf.

Marko Suchy hat allen Grund zum Ärger. Die von ihm seit 15 Jahren geleitete Stiftung ist die Drehscheibe für die Verteilung von jährlich über 15 Millionen Euro an sorbische Institutionen, Vereine und Projekte. Und sie kommt nicht aus der Kritik. Seit sechs Jahren finden Prüfer des Rechnungshof in bemerkenswerter Regelmäßigkeit Unzulänglichkeiten im Umgang mit den öffentlichen Geldern. 1999 war es die Förderung des Domowina-Verlages, die als „nicht sinnvoll“ beanstandet wurde. 2001 kamen die Prüfer zu dem wenig schmeichelhaften Urteil: „Haushaltsund Wirtschaftsführung der Stiftung sind in hohem Maße fehlerhaft.“ Auch von einer „schwarzen Kasse“ war die Rede. Ein Jahr später entdecken die Rechnungsprüfer, dass die Stiftung einen Ensemble-Bus beim Weiterverkauf an das Deutsch-Sorbische Volkstheater zum zweiten Mal mit über 20 000 Euro gefördert hatte. 2003 attestieren die Prüfer dem Sorbischen Institut Unwirtschaftlichkeit. Im Jahr 2004 werden die Domowina und deren Witaj-Sprachzentrum kritisiert. Überbesetzt sei die Interessenvertretung der Sorben und ihre Mitarbeiter zum Teil überbezahlt. Außerdem sei das Witaj-Sprachzentrum auf Grundlage einer „untauglichen“ Wirtschaftlichkeitsanalyse der Stiftungsverwaltung entstanden. Zudem stellt das Bundesverwaltungsamt Kompetenzdefizite in der Stiftungsverwaltung fest. 2005 nun stehen 1,6 Millionen Euro in Rede, die im Jahr 2001 als Abfindungen an 16 Mitglieder des Sorbischen National-Ensembles gezahlt wurden. Neben der Frage, ob Geld verschwendet wurde, dürfte auch in diesem Fall der Verfahrensweg bei den Prüfern Kritik hervorrufen. Denn der Stiftungsrat, das höchste Organ der Stiftung, wurde erst über die Abfindungen informiert, als die Verträge mit den betroffenen Ensemblemitgliedern schon geschlossen waren.

Im Dauerkonflikt mit dem Rechnungshof sieht sich Stiftungsdirektor Suchy trotz der geballten Schelte nicht. „Gut“ und „heftig“ nennt er das Verhältnis. Man habe viel gelernt aus den Hinweisen, aber der Rechnungshof habe auch Vorwürfe korrigieren müssen. Die Stiftung müsse die Eigenverantwortung der Institutionen achten und dennoch ihre Kontrollverantwortung wahren. Dass Kritik stets auf Suchy zurückfällt, ist fast selbstverständlich. An ihm führt bei der Verteilung der Fördergelder kaum ein Weg vorbei. Er gilt als Macher und Strippenzieher, wenn es um sorbische Angelegenheiten geht.

Geld als Hebel zu Reformen Doch sowohl im Bund, als auch in Sachsen sieht man das zunehmend anders. So habe der Bund die Stiftungsverwaltung als Problem erkannt, sagt die Bündnisgrüne Haushaltsexpertin Antje Hermenau. Mit der Politikerin hatte CDU-Mann Suchy in Berlin eine wichtige Streiterin für die Sache der Sorben. Dennoch hatte der Bund Ende 2004 gedroht, seine Zuwendungen zu kürzen, wenn die Stiftung nicht reformiert wird. Ein Teil des Geldes wurde gesperrt, was zu heftigen Diskussionen führte. Es war wohl Hermenaus Engagement im Haushaltsausschuss des Bundestages, das dazu führte, dass die gesperrten Mittel später doch freigegeben wurden. Mittlerweile sieht auch Antje Hermenau, die jetzt Fraktionschefin im Sächsischen Landtag ist, „im Geld den einzigen Hebel, um die Stiftung zu reformieren“. Seit 1997 beobachte sie „zunehmenden Zentralismus“ und „zunehmenden Kulturabbau“.

Im Haushaltsausschuss des Landtages erklärte vor einigen Wochen der Rechnungshof, dass es nicht um die Streichung von Zuwendungen für die Sorben gehe, sondern darum, dass öffentliche Gelder zweckentsprechend eingesetzt werden. Einstimmig teilte der Ausschuss die Rechnungshofkritik. Welche Rolle denn das Ministerium für Wissenschaft und Kunst bei der Lösung der Probleme spiele, wollte ein CDU-Mann wissen. Der zuständige Staatssekretär räumte ein, dass die Stiftungsverwaltung qualifiziert werden müsse und Strukturveränderungen vorbereitet würden.

Doch Hilfe von außen könnte politische Brisanz entwickeln, sobald sich die Sorben bevormundet fühlen. Dennoch hat die Stiftung nun selbst eine externe Firma beauftragt, organisatorische Schwachstellen zu finden. Ein Jurist soll Direktor Suchy künftig in Rechtsangelegenheiten assistieren. Doch die Stellenausschreibung dafür verlief bisher angeblich ergebnislos.

Sorbische Vereine verlangen unterdessen mehr Eigenverantwortung und fragen, ob eine Stiftungsverwaltung überhaupt sorbische Projekte betreiben muss. Derzeit kümmere sich die Administration nur um sich selbst, klagt Komponist Detlef Kobjela. Dabei gehe es doch darum, dass „unsere kreativen Potenzen“ gefördert werden.

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