Mittwoch, 28. Juli 2010

Schluss mit dem Unfug!

Offener Brief an die Stiftung für das sorbische Volk

Es genügt nicht, die jetzt auch der Allgemeinheit (siehe „Sächsische Zeitung" vom 26. Juli 2010) bekannt gewordenen neuerlichen Fusionspläne der „Stiftung für das sorbische Volk" als fachlich indiskutabel, ja lächerlich abzutun.

Wer ernstlich erwägt und plant, inhaltlich-strukturell unvereinbare Institutionen wie das Sorbische National-Ensemble, den Domowina-Verlag und das Witaj-Sprachzentrum in einer GmbH zusammenzufassen und sich gleich noch als Geschäftsführer dieses Konstrukts ins Gespräch bringt, gehört energisch in die Schranken gewiesen, wenn schon nicht seines Postens enthoben, auf dem er seit Jahren ähnlichen Unsinn verzapft und Zeit und Kräfte mit fruchtlosen, unruhestiftenden Debatten vergeudet.

Ganz andere finanzielle Einsparungs-Dringlichkeiten stehen ins Haus: dass nämlich diese Stiftung, die beim Jonglieren mit Steuergelder-Millionen anscheinend übergeschnappt ist, in ihrer jetzigen Struktur abgeschafft gehört. Es genügt völlig, wenn über die Gelder der Stiftung drei buchhalterische Angestellte als Vertreter des Bundes sowie der Länder Sachsen und Brandenburg in Abstimmung mit der Domowina als legitimierter Vertreterin des sorbischen Volkes entscheiden, ohne sich inhaltliche Zuständigkeiten anzumaßen, die sie gar nicht haben können. Unabhängig vom Ergebnis dieser Protestresolution erklären die unterzeichnenden sorbischen Kulturschaffenden, dass sie der geplanten GmbH jegliche Zustimmung nachdrücklich verweigern werden.

Kito Lorenc Bautzen, den 26. Juli 2010

Zu den Erstinterzeichnern dieser Protestresolution gehören u.a.: Meto Benad, Iris Brankatschk, Janina Brankatschk, Liane Bertók, Isa Brützke, Benno Budar, Ludmila Budarjowa, Marian Bulang, Jan Cyz-Ziesch, Róza Domascyna, Benedikt Dyrlicti, Prof. Dr. Helmut Fasske, Dr. Helmut Jentsch, Detlef Kobjela, Jufij Koch, Michar Lorenc, Juro Metsk, Alfred Meskank, Ulrich Pogoda, Prof. Dr. Christian Prunitsch, Janka Rögnerowa, Dr. Hync Rychtar, Angela Stachowa, Dr. Ruth Thiemann, Dr. Martin Walde, Alfons Wicaz-Lehmann und Wórsa Wicazowa.

Sorben fordern Ablösung des Stiftungs-Chefs

Sächsische Zeitung
Mittwoch, 28 Juli 2010

Bautzen. 30 sorbische Künstler und Wissenschaftler haben in einem offenen Brief die Ablösung des Geschäftsführers der Stiftung für das Sorbische Volk, Marko Suchy, gefordert. Anlass sind die Pläne zur Gründung einer Kultur-GmbH, die das Sorbische National-Ensemble, den Domowina-Verlag und das Witaj-Spachzentrum vereinen soll.

Diese inhaltlich-strukturell unvereinbaren Institutionen zusammenzufassen, sei fachlich indiskutabel, ja lächerlich, heißt es in dem Schreiben. Wer solches plane und sich auch noch als Geschäftsführer dieses Konstrukts ins Gespräch bringe, der gehöre seines Postens enthoben, "auf dem er seit Jahren ähnlichen Unsinn verzapft."

Notwendig sei eine Reform der Stiftung. Diese maße sich Kompetenzen an, die sie nicht habe. (SZ)

Warum der Streit bei den Sorben eskaliert

Sächsische Zeitung
Mittwoch, 28 Juli 2010

Namhafte Künstler üben scharfe Kritik am Aufbau einer Kultur GmbH und den massiven Einsparungen.

Von Irmela Hennig

Marko Suchy, der Direktor der Stiftung für das sorbische Volk, gehört seines Postens enthoben. So steht es in einem offenen Brief an die Stiftung für das sorbische Volk, der der Sächsischen Zeitung vorliegt. Unterzeichnet haben ihn unter anderem namhafte sorbische Künstler wie der Schriftsteller Kito Lorenc und der sorbische Komponist Detlef Kobjela.

WORUM GEHT ES IM BRIEF?

Die Verfasser empört zum einen der Umgang mit sorbischen Einrichtungen, die in großem Stil umgebaut werden. Kritisiert wird vor allem die Stiftung für das Sorbische Volk. Sie verteilt Fördermittel von Sachsen, Brandenburg und dem Bund an sorbische Einrichtungen und ist Gesellschafter des Sorbischen National-Ensembles Bautzen (SNE) und des Domowina Verlags. Sie fällt die Richtungsentscheidungen. So auch diese; Man will eine Kultur GmbH gründen, die mehrere sorbische Einrichtungen unter einem Dach zusammenfasst. Gemeint sind das Sorbische National-Ensemble Bautzen, der Domowina-Verlager, aber auch das Witaj-Sprachzentrum zur Sprachförderung sowie die Sorbische Kulturinformation Bautzen. Diese Plänewerden in dem Brief ebenfalls scharf kritisiert.

WIE KONKRET SIND DIE PLÄNE?

Nach den Unterlagen einer Sondersitzung des Stiftungsrates, er ist das Entscheidungsgremium der Stiftung, vom 4. Mai 2010 sind sie sehr konkret und sogar beschlossen. "Konzentration der Kräfte" nennt die Stiftung das Vorhaben.

WAS WURDE BESCHLOSSEN?

Entschieden wurde: Das Sorbische National-Ensemble wird geschlossen und eine neue Kultur GmbH gegründet. Michaela Mosche von der Stiftung für das Sorbische Volk bestätigte gestern, dass im Mai vorsorglich der Schließung der Ensemble GmbH zugestimmt wurde. Hintergrund: Den Sorben fehlt Geld. Darum steht das SNE vor großen Entlassungen. Etwa 30 Mitarbeiter wurden oder werden gekündigt oder erhalten keinen neuen Vertrag. Hätte es dabei viele arbeitsrechtliche Probleme gegeben, hätte man das Ensemble schließen können, so Mosche. Bislang sei der Personalabbau reibungslos verlaufen. Dennoch bestätigt Michaela Mosche: "Der Beschluss steht weiterhin." Er ist auf der Internetseite der Stiftung nachzulesen. Nichts findet man darüber, dass weitere Einrichtungen in der Kultur GmbH unterkommen sollen. Das aber geht aus dem Stiftungsrats-Papier hervor. Von der Stiftung wurde dies immer als Gerücht abgetan. Allerdings wurde der SZ von einem Stiftungsratsmitglied bestätigt, dass der Gründung der Kultur GmbH mehrheitlich zugestimmt wurde.

WAS WIRD AUS DEM THEATER?

Eine Fusion mit dem Deutsch-Sorbischen Volkstheater in Bautzen wird entgültig abgelehnt. Stattdessen wird ein "engmaschiger Kooperationsvertrag" angestrebt, der dem Ensemble "die Möglichkeit gibt, in den Räumen des Theaters eine Heimspielstätte zu etablieren". Übersetzt heißt dies: das Ensemble soll dauerhaft auf der Bühne des Theaters agieren. Mit Lutz Hillmann, Intendant des Theaters, hat darüber noch niemand gesprochen. Er hält diese Idee auf SZ-Nachfrage hin für ausgeschlossen und ärgert sich maßlos darüber.

Parlament für die Sorben gebraucht

Sächsische Zeitung
Mittwoch, 28 Juli 2010

KOMMENTAR

Irmela Hennig über Gemauschel hinter den Kulissen bei den Sorben

Es geschieht momentan viel hinter den Kulissen bei den Sorben. Das ist rechtlich kaum angreifbar. Denn eine Stiftung muss ihre Karten nicht offen auf den Tisch legen. Darum fordern einige Sorben, aber auch Kulturinteressierte schon lange: Die Sorben brauchen ein Parlament. Nicht etwa einen Bundestag wie die Bundesrepublik, der über Afghanistan-Einsätze und Sozialabbau entscheidet, sondern demokratisch gewählte Vertreter, die die Zukunft sorbischer Einrichtungen in die Hand nehmen.

Dieses Parlament muss in offenen Abstimmungen Entscheidungen zur Zukunft von Einrichtungen wie dem Sorbischen National-Ensemble oder Domowina-Verlag treffen - und dabei in enger Verbindung zu vielen Sorben stehen. Eine andere Möglichkeit, die sorbische Basis in ihr eigenes Geschick einzubinden, gibt es nicht Eine Stiftung kann es nach wie vor geben, Doch sie sollte lediglich Gelder verwalten und weitergeben. Andernfalls wird an den Interessen der breiten Masse der Sorben vorbeigearbeitet.